Der zweite Sippentag - Pfingsten 1938 in Berlin

Bericht aus dem Mitteilungsblatt der Sippen Nicolaus vom Juli 1938

 

Unser diesjähriger Sippentag ist programmgemäß verlaufen. Zwar konnten wir nicht die gleich große Zahl von Teilnehmern in Berlin begrüßen wie es im Vorjahre in Dresden der Fall war. Für viele unserer Mitglieder mag doch die Reise zu weit gewesen sein und zu hohe Kosten verursacht haben. Aus den vielen Zuschriften haben wir aber ersehen, wie lebhaft das Interesse auch bei all denen war, die selbst nicht haben kommen können. Und für die Freunde und Mitglieder, die sich eingefunden hatten, waren die Tage doch wieder ein schönes und unvergeßliches Erlebnis.

Am Pfingstsonnabend fanden wir uns zu einem ersten Beisammensein im

" Heidelberger Haus der deutschen Heimat " in Berlin zusammen. Wir sahen neben den getreuen Bekannten, neue Vettern und Basen, eine Reihe Berliner Verwandte, mit denen wir bisher noch keine persönliche Verbindung hatten.

Doch aus weiter Ferne hatten sich manche eingefunden.

Die Haupttagung am Pfingstsonntag führte 50 Mitglieder zusammen, unter denen wir zu unserer besonderen Freude den Besitzer unseres Stammhofes in Schiedel, Erbhofbauer und Ortsbauernführer Vetter Arthur Nicolaus mit seiner jungen Frau begrüßen konnten. Wir danken ihm, daß er mit noch mehreren Angehörigen die weite Fahrt nicht gescheut hat.

Nach den Tätigkeitsberichten des Verbandsführers und unseres unermüdlich tätigen Geschäftsführers führte uns der Vortrag des Vetters Friedrich Nicolaus durch die tausendjährige Geschichte unserer Sippe, wobei uns wohl die etwa 40 Lichtbilder, die vorgeführt wurden, das wechselvolle Schicksal der eigenen Familie im Spiegelbild der deutschen Geschichte recht deutlich zum Bewußtsein gekommen ist.

Wir werden zu gegebener Zeit eine kurz gefaßte Wiedergabe des dort Gehörten

für unsere Mitglieder bringen.

Das gemeinsame Mittagessen vereinigte die Verwandten anschließend noch zu einem frohen Beisammensein.

 

Fr.N. 1938

 

 

Unser Studienausflug

 

Für den zweiten Sippenfesttag, den 6.Juni hatten wir die rechte Einstimmung durch die Lichtbilderreihe mitbekommen : Der lange Heinrich schritt uns in seiner farbenprächtigen Leibgrenadieruniform voran, die Weidenbäume umsäumten die schnurgeraden Straßen, die sich aus dem Lageplan der Siiedlungskolonien fest ins Gedächtnis einprägten. Erwartungsfroh sammelten sich etwa 30 Sippenbasen- und vettern gegen 9 Uhr vormittags in der Vorhalle des Lehrter Bahnhofs in Berlin.

Nach dem kurzen Austausch am Sonntag war jedes Gesicht schon lieb und vertraut und ungern wurden einzelne vermißt, die durch Dienst und andere Pflichten abgehalten waren. Die Fahrt mit dem Personenzug, die selbst für die Berliner Kinder der landschaftlichen Reize nicht entbehrte, führte uns über Spandau, Nauen und Paulinenaue nach Lobeofsund (dieser Ortsname mag willkürlich entstanden sein).

Eine schnurgerade Landstraße nahm uns auf, die gleichzeitig holländischem Stil und friederizianischer Lebenshaltung entspricht. Wir ließen während der Wanderung bei lebhaftem Geplauder die Einzigartigkeit der Landschaft auf uns wirken. In die erste Krümmung der Straße bogen wir kurz vor Königshorst nach rechts ein, um in der Schwesterkolonie Mangelshorst die Nachfahren des Königskolonisten Hinrich Nicolaus zu begrüßen. Der Linienstammhof ist nicht mehr im Besitz von Trägern des Namen Nicolaus. Die beiden Töchter des verstorbenen Bauern Wilhelm Nicolaus sind als Familienmütter noch in Mangelshorst ansäßig. Der Ehemann der ältesten Tochter, der Standesbeamte und Ortsbauernführer Richard Freund, welcher durch seine Ehe mit der Nicolaus-Tochter den Linienstammhof erwarb, begrüßte uns am Ortsanfang und führte uns nach dem Besitztum. Hinter dem niedrigen, noch aus der Koloniegründungszeit stammenden Wohngebäude, breiteten sich saftige Weideplätze aus, auf denen ein guter Milchertrag erzielt wird und gesunde Rindernachzucht heranwächst. Die Tiere sind Herdbuchleistungsvieh, damit eine Zierde und Stolz eines jeden deutschen Bauern.

Die junge Waltraud und ihr Bruder Joachim Freund, die Enkel des letzten dortigen Nicolaus begrüßten uns in ihrer strahlenden Gesundheit.

Ungern trennten wir uns von dieser geschichtlichen Stätte.

Die kleine Sippengemeinde sammelte sich nachdem im schlichten Königshorster Gotteshaus, das streng und feierlich vornehm gehalten ist; es wurde durch König Friedrich Wilhelm I. erbaut. Das Orgelspiel wurde Base Erika aus Lüneburg anvertraut, die Bälge trat Vetter Horst, der Soldat aus Lüdenscheid.

Ein Gesang von je zwei Strophen der Choräle : "Lobe den Herrn, oh meine Seele" und " Wunderbarer König, Herrscher von uns allen " umschloß die Ansprache des Ortspfarrers Mickley über die Worte : " Glaube an den Herrn Christum, so wirst du und dein Heim selig ". Ein festeres Sippenband als unserer Väter Glaube mag es wohl nicht geben ! Er bedingt das sichere Heimatgefühl innerhalb des kleinen Familienkreises und der größeren deutschen Sippengemeinschaft. Vetter Friedrich weihte dem Andenken der Toten der großen Kriege 1870/71 und 1914/18 Worte der Dankbarkeit und Dankeschuld und des Treuegelöbnisses, er legte einen schlichten Kranz am Altar nieder. Auf der Gefallenengedenktafel zur linken des Altars ist zweimal der Name " Nicolaus " zu lesen. Auf dem Friedhofe begegnete er uns auf drei Grabsteinen.

Im Dorfgasthof " Zum alten Fritz " erwartete uns gegen 13 Uhr die Kaffeetafel, an der wir leider nur kurze Zeit rasten konnten. Die schon einige Wochen zuvor aufgenommene Führung durch den Sippenverbandsführer Vetter Friedrich verschaffte uns die Ehre und Freude, daß der Amtsvorsteher des Amtes Königshorst, Herr Major a.D.Weißleder, unter uns war und an Hand der Chronik des Amtes Königshorst in launiger Weise von unseren Vorfahren berichtete :

Am 15.August 1748 war der schon 65 jährige ehemalige Grenadier der " Langen Kerls " Heinrich Nicolaus gemeinsam mit 8 anderen Königskolonisten und etlichen holländischen Emigranten durch königliche Kabinettsorder Friedrich des Großen in der Kolonie Deutschhof auf dem Havelländischen als Ansiedler bestätigt worden, nachdem er schon vom Vater des Königs, dem " Soldatenkönig " als Königskolonist daselbst um 1739 angesiedelt wurde.

Er war bereits Invalid und es mag ihm mit seinen 7 Kindern, wovon der älteste Sohn 17 Jahre, der jüngste 6 Jahre alt war, viel sauren Schweiß gekostet haben, mit dem Pflug gewinnbringendes Acker-und Weideland dem Sumpfgebiet abzuringen. Mußte nicht daraus ein sturmerprobtes, zukunftsfrohes Geschlecht erstehen ?

Aus der Chronik wurden uns noch manche interessante Einzelheiten berichtet.

Wir können hoffentlich über den " Langen Heinrich " und Königshorst später noch einmal mehr erzählen.

Nur zögernd und mit aufrichtigem Bedauern trennten wir uns von dem familiengeschichtlich-historischen Boden und den Mangelshorster Sippengeschwistern. Der Austausch auf dem Rückwege zum Bahnhof Lobeofsund wurde immer lebhafter, denn die Trennung stand nahe bevor. Vor dem bescheidenen dörflichen Bahnhofsgebäude vollzog sich noch eine bedeutsame Schenkung. Vetter Robert Nicolaus, Berlin, der mit seiner Gemahlin im eigenen Kraftwagen gekommen war, überreichte dem Vetter Walter, unserem Geschäftsführer eine Kleinschreibmaschine " Erika " ! Ein langgehegter Wunsch ging damit auf historischem Boden in Erfüllung. Herzlichen Dank dem Spender auch an dieser Stelle !

Große Freude löste bei allen auch die Mitteilung des Verbandsführers aus, das mehrere Sippenverwandte, die nicht persönlich an der schönen Tagung teilnehmen konnten, doch schriftlich des Tages gedachten und Grüße gesandt hatten, darunter ein Radiofunkspruch unseres Vetters Georg Nicolaus in Bucaramanga in der Republik Columbien/Südamerika (Sohn des oben genannten Vetters Robert). Auch denen danken wir hier gern nochmals.

Der übrige Teil des Tages vereinte die Sippenmitglieder in kleinen Gruppen im engeren Familienkreise, bei Ausflügen und Besichtigungen. In Berlin braucht ja keiner um Zeitvertreib verlegen sein.

Auch die in Berlin zur Zeit geöffnete Internationale Handwerkeraustellung wurde von verschiedenen Sippentagsteilnehmern mit besucht.

Es wurde lebhaft der Wunsch geäußert, daß nach der allgemeinen Annäherung

im nächsten Jahr wieder ein allgemeiner Sippentag fürs ganze Reich stattfinden möge.

 

Rose Nicolaus, Oschatz/Sa. 1938

Sippentreffen 1938 in Schiedel auf dem Stammhof
Sippentreffen 1938 in Schiedel auf dem Stammhof

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